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You were something special

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15.

Eine unwirkliche Ironie des Schicksals, dass er ausgerechnet jetzt in das Antlitz des perfekten Ebenbildes seiner Frau blicken musste...
 

Schwach war das Blinzeln, das er ihr entgegen bringen konnte, während sich seine Lippen wieder schlossen und sie genauso langsam wie all seine eigenen Bewegungen waren, in das Zimmer geschritten kam, als wäre es für sie eine genauso schwere Begegnung wie für ihn. Und für einen Moment wünschte er sich wirklich wieder schlafen zu können, in die erholsame Schwärze eindringen zu können, die ihm all das hier abnehmen könnte und doch konnte er nichts weiter machen als ihr eine Zeit lang mit den Augen zu folgen und den Blick schließlich wieder auf die Decke zu legen. Er hatte Kopfschmerzen, es fühlte sich mit einem Mal an, als würde sich seine Gehirnmasse ausbreiten und von innen gegen seine Schädeldecke drücken, so dass er erst einmal auf eine Antwort verzichtete und stattdessen die Augen schloss.

"Wie geht es dir, Papa?" Ihre Stimme war so leise und unsicher, wie sie sich fühlte und eigentlich wusste sie auch, dass diese Frage mehr als überflüssig gewesen war, während sie in das fahle Gesicht ihres Vaters blickte und die offensichtliche Antwort doch bereits kannte, die er ihr sowieso nicht geben würde. Hier in diesem dunklen Raum, mit nur dem Licht, das aus dem Flur hinein schien und nicht einmal genug erhellen konnte um alles zu erkennen, sah er für einen Augenblick so aus wie es ihre Mutter in den letzten Wochen getan hatte.

Es war nur ein undefiniertes Brummen, das am Ende an ihre Ohren drang und sie wirklich versuchte zum lächeln zu bringen, wenngleich es einfach nicht auf ihren Lippen entstehen wollte und sie schluckte. Schwer schluckte, weil sie ihren Vater zwar in vielen Situationen unterschätzte und oftmals Dinge gesehen hatte, die sie so niemals erwartet hatte, aber dies hier wieder etwas ganz anderes war. Ihn so offen Dinge zeigen zu sehen, die sie niemals erwartet hatte irgendwann in ihrem Leben einmal zu erblicken war bestenfalls beunruhigend, aber so viele ehrliche und offene Emotionen in seinen Augen, in seinem gesamten Gesicht lesen zu können war... schockierend.

Aber was hatte sie erwartet?
 

Sie wusste ehrlich gesagt nicht, was sie von diesem ganzen Tag halten sollte. Es war ihr immer bewusst gewesen, dass sowohl ihr Vater als auch sie selbst etwas Besonderes waren, etwas anderes, das es auf diesem Planeten nur vereinzelt gab und sie hatte auch immer gewusst, dass ihr Vater eines Tages in einem Kampf sterben oder sehr viel länger leben würde, als ihre Mutter, aber die grausige Realität wirklich irgendwann erblicken zu müssen, machte es dennoch so unendlich schwer zu verstehen.

Wieso sie so anders waren und ihre Mutter diese Chance nicht erhalten hatte.

Sie seufzte und sah ihn abermals an, nur um doch keine Antwort zu erhalten, aber weil sie ihn kannte, weil sie wirklich kannte und liebte, wie er nun einmal war, nahm sie es ihm nicht einmal übel, dass er sie nicht ansehen wollte. Ihr war bewusst, dass sie für ihn einen Anblick bot, dem er vielleicht nicht einmal standhalten konnte, nicht heute und auch morgen noch nicht, aber irgendwann würde er den Gedanken daran nicht einmal mehr hegen und es vergessen haben, so dass sie nun lediglich den einen Stuhl, der nahe an der Tür an einem kleinen Tisch stand, aufnahm und neben das Bett stellte. Wahre Ironie, wenn sie bedachte, dass es ihr Vater war, der noch letzte Nacht und den gesamten Morgen so am Bett ihrer Mutter gesessen hatte, ohne sich dabei wirklich zu bewegen, ohne den Anschein zu machen, als würde es ihn stören.

Aber das stimmte so auch nicht, nicht wahr?

Sie hatte es unter all ihrer eigenen Trauer, all ihrem eigenen Schmerz nur zu genau gesehen und sie hatte es unter all ihrem eigenen Schluchzen so kristallklar gehört, dass ihr noch jetzt, wenn sie nur daran dachte, eine Gänsehaut auf den Armen entstand, die schlichtweg nicht weichen wollte. Er hatte seine eigene Trauer so offen gezeigt, obwohl sie sich beide noch im Zimmer befunden hatten, dass es ihr nur eiskalt den Rücken hinunterlaufen konnte, während sich die Erinnerung in ihrem Geist abspielte wie ein Film und all das Gefühl zu ihr zurückbrachte, das sie nur tief einatmen konnte, um ihnen keinen freien Raum zu gewähren.

Jetzt nicht, später konnte sie den Tränen immer noch nachgeben, doch jetzt war sie hier und wusste trotz allem nicht, was sie tun oder gar sagen könnte, weil sie nicht wusste, ob ihr Vater ihr überhaupt richtig zuhörte, weil sie nicht wusste, ob er ihre Gegenwart vielleicht doch nicht wollte und vor allem weil sie nicht wusste, ob er ihr antworten würde.
 

Er starrte nur an die Decke und machte einen beinahe eingesunkenen Eindruck auf sie. Wie jemand, der die Szene betrachtet hatte, ihre Bedeutung verstanden und in sich aufgenommen und sie dennoch nicht als dieses akzeptieren wollte und vielleicht hatte sie ja auch nichts anderes von ihm erwartet, vielleicht war es dieser unbeugsame Ader, die es am Ende so schwer für ihn machte.

"Papa?", sagte sie abermals leise und beobachtete lediglich ein langsames, beinahe träge wirkendes Blinzeln, als würde es ihm unglaubliche Kraft kosten die Augen überhaupt offen zu halten und doch den Schlaf eisern bekämpfen, weil er ihm auch nichts geben konnte. Weil er wahrscheinlich auch nur Träume mit sich bringen würde, Bilder, die er hier und heute nicht mehr verkraften könnte und sie verstand es, verstand es wirklich, weil es ihr nicht anders erging. Weil auch sie sich nicht hinlegen wollte, egal wie sehr ihre verquollenen Augen brannten und weil auch sie die Erinnerung an diesen Tag nicht abschütteln konnte, an die ganz spezielle 'Beerdigung', die sich ihre Mutter so sehr gewünscht hatte. Sie konnte es nicht nur verstehen - der Augenblick, in dem ihr Vater sie dort draußen im Garten angesehen und um ihr volles Einverständnis gefragt hatte, wenngleich es nur ein einziger Blick gewesen war, hätte ihr in einer Intensität beinahe den Boden unter den Füßen weggerissen, weil es dieser Augenblick gewesen war, in dem sie erst völlig verstand.

Er hatte es nicht tun wollen, er hatte mich sich selbst gekämpft und nur einen Wunsch, einen einzigen letzten Wunsch akzeptiert, während er den Umstand ihres Todes an sich nicht akzeptieren konnte und es hatte ihr wirklich, wirklich und wahrhaftig ein völlig neues Bild von ihm geschaffen.

"Du musst nicht mit mir reden, ich... kann verstehen, wenn du mich nicht einmal ansehen willst, aber...", begann sie und musste den Satz am Ende doch im Offenen stehen lassen, weil ihr nur neue Tränen die Luft abschnürten und ihre Kehle so sehr zusammendrückten, dass sie es einfach nicht schaffte ein weiteres Wort zu sagen, nur um mit ihrem so schnell verschwommenen Blick zu bemerken, dass ihr Vater noch einmal blinzelte und schließlich die Augenbrauen leicht zusammenzog, bevor er den Blick endlich von der Decke nahm und den Kopf erneut leicht wandte um sie anzusehen.
 

"Nein." Es war nur ein einziges Wort, das letztendlich seine Lippen verlassen hatte, um so viel schwächer als seine eigentliche Stimme und ohne jegliche Tiefe, ohne jegliche Emotion, während sie in seinen Augen die Wahrheit lesen konnte. Er klang so hohl und leer, nicht wie er selbst und doch stand in seinen Augen, dass sie so nicht denken sollte. Dass es ihm Leid tat und er sich trotz allem nicht aus dieser Trauer, aus dieser Lethargie befreien konnte, die ihn in den letzten Tagen befallen hatte, als die Zeichen auch für seine Kinder so eindeutig wurden, dass sie sie nicht mehr ignorieren konnten.

Aber ihr Vater war schon immer anders gewesen, als sie es aus den Erzählungen ihrer Mitschüler hören konnte, als sie es draußen auf der Straße sehen konnte und vielleicht lag es an ihren Genen, dass sie es ihm wirklich nicht übel nehmen konnte. Dass sie seine oftmals so grobe Art auf ihre ganz eigene Weise verstehen konnte und seine Wortkargheit, seine Verschlossenheit und permanente Abwesenheit nicht übel nahm. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass er sie anders behandelte als er ihren Bruder behandelt hatte, dass sie schon immer, trotz aller Seltsamkeit und wenig Aufmerksamkeit seine kleine Prinzessin gewesen war und am Ende war es jener Gedanke, der sie durch die Tränen lächeln ließ.

Ein Lächeln, das er mit einem Nicken quittierte, das sie kaum sehen konnte.

Dann wandte er sich wieder leicht ab und sah förmlich an ihr vorbei, als würde es ihm wirkliche Schmerzen bereiten sie anzusehen, während sie die Tränen wieder wegwischte, ohne dass sofort neue in ihre Augen traten. Sie hörte ihn seufzen, eine Mischung aus einem tiefen Luftholen und einem unbestimmten Geräusch, dass sich leise in seiner Kehle bildete und im Raum widerhallte, weil es sonst kein weiteres Geräusch gab, dass es hätte schlucken können.
 

Bra presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und schob ihre eigene Trauer für einen Moment zur Seite, hob langsam die Hände und lehnte sich ein wenig nach vorne, so dass sie nach seiner Hand greifen konnte. Langsam, um ihm vielleicht doch noch die Möglichkeit zu geben, sich der Situation zu entziehen, wenngleich es ihr das Herz gebrochen hätte, kam sie ihm näher und hielt beinahe die Luft an, als sie schließlich ganz danach griff und sie mit ihren Fingern umschloss.

Nur ein Zucken seiner eigenen Finger war die Antwort.

"Papa...", sagte sie abermals leise, als wolle sie den Moment nicht zerstören, als wolle sie ihn nicht darauf aufmerksam machen, was sie hier wirklich tat, aber dennoch dauerte es einige wertvolle Sekunden, bis sich sein so weit entfernter Blick wieder auf sie fixierte. Ein Schlucken, ein schweres Schlucken, das sie beinahe hören konnte, folgte und sie schloss die Finger ein wenig fester um seine Hand.

"Es tut mir leid." Dabei wusste sie nicht einmal, was ihr wirklich leid tun sollte. Die Natur hatte ihre Gesetze, man konnte sie nicht aufhalten und dennoch hatte sie das so dringende Bedürfnis diese Worte zu sagen. Es war nicht zwingend nur der Tod ihrer Mutter, der ihr so unendlich leid tat, auch wenn es wahrlich mehr schmerzte als sie angenommen hatte, aber es war sein Schmerz, seine Trauer, die sie ihm gerne nehmen wollte, die ihr leid taten.

"Das muss es nicht.", hatte er ihr geantwortet und beinahe hätte sie ein weiteres Mal gelächelt, wenn seine Stimme nicht so schwach geklungen hätte, wie sie sie niemals gehört hatte. Beinahe wäre sie froh um diese Antwort gewesen, wenn es nicht seine Augen gewesen wären, die sich nun leicht verwässerten, während er sie einfach nur ansah und keinerlei weitere Regung von sich gab und ihr Herz zusammenkrampfen ließ.

"Was soll ich sonst sagen, Papa, du redest ja nicht mit mir. Und wenn ich dich noch mal fragen würde, wie es dir geht, würdest du mir auch nicht antworten." Zur Unterstützung ihrer Worte drückten ihre Finger noch einmal seine Hand, als wolle sie ihn alleine damit wieder zur Besinnung bringen, als wolle sie mit ihren Worten und ihren Händen verhindern, dass er sich noch weiter zurückzog, als er es ohnehin gerade getan hatte und als wolle sie ihn aus dem schwarzen Loch ziehen, in dem er sich befand und in welchem nur Trauer herrschte. Es war okay dass er trauerte, sie hatte wirklich nichts dagegen und war erstaunt zu wie viel dieses einen Gefühls ihr Vater wirklich fähig war und dennoch... erschien es falsch.
 

Und das leichte Lächeln, das auf ihre Worte hin auf seinen Lippen entstand und sogar länger blieb als einen Sekundenbruchteil, nahm ihr den Atem, verhinderte jede weitere Bewegung, jedes weitere Wort, weil sie wusste und sah, dass es nicht gelogen und doch nicht ganz ehrlich war. Es ließ ihr Herz einen Schlag aussetzen, während sie lediglich ungläubig in sein Gesicht sehen konnte um nach der Antwort auf ihre niemals gestellte, niemals gedachte Frage zu gelangen und sie doch nicht fand.

"Wieso fragst du, wenn du es doch eigentlich schon weißt?" Er klang nicht wie ihr Vater und es war nicht nur die Müdigkeit, die sich in seiner Stimme und seinem Gesicht niedergelassen hatte, es war nicht nur der Schmerz, der ihn daran hinderte normal zu sein... und sie hatte das Gefühl, dass es ihr Anblick war, der ihm nur noch mehr Schmerzen bereitete und trotz allem etwas mit sich brachte, das er heute glaubte verloren zu haben. Sie fühlte mit ihm, es war der tägliche Blick in den Spiegel, der ihr immer wieder sagte, wessen Tochter sie wirklich war.

"Weil ich es von dir hören möchte.", gab sie zur Antwort und wusste im selben Moment als die Worte ihre Lippen verlassen hatten, dass sie die falschen gewesen waren, dass sie etwas anderes hätte sagen müssen und sie spürte es am leichten Zucken seiner Finger, an dem Lächeln, das sich abermals auf seine Lippen legte und die Müdigkeit nur verstärkte, die seine Züge verklärten. Die ihn handeln ließen, bevor er darüber nachdenken konnte.

"Du hast das Genie deiner Mutter geerbt und doch immer noch nicht gelernt wie es geht. Wie sie, stellst du diese unnötigen Fragen, obwohl du die Antwort kennst." Das Lächeln weitete sich und sie schluckte schwer, weil sich der Knoten in ihrem Hals ein weiteres Mal bemerkbar machte, während sie ihn lediglich ansehen konnte, Beobachten, als würden seine minimalen Bewegungen ihr eine Antwort liefern können wie sie mit ihm umzugehen hatte. Aber die würde sie nicht finden, nicht wahr? Er war in diesem Augenblick nicht er selbst und doch sagte ihr sein leichtes Lächeln, dass er es verstand. Dass er verstand wie sie es meinte und dass er verstand, dass manche Dinge eben nicht geändert werden konnten, egal wie sehr sie schmerzten, egal wie viel Trauer sie mit sich brachten.
 

Ihr Vater hatte es schon immer verstanden.

Hatte schon immer gewusst, dass sie vor ihm gehen würde und dabei wohl doch gehofft durch einen Kampf eher zu sterben, damit ihm die Aufgabe erspart geblieben wäre sie zu Grabe zu tragen. Der Gedanke ließ auch sie, trotz dessen, dass er so unglaublich unwirklich und traurig klang, lächeln. Er hatte es gewusst und doch immer wieder von sich geschoben, so wie er sonst auch immer alles andere von sich schob, mit dem er sich nicht beschäftigen wollte, nur damit es ihm am Ende die Füße wegreißen konnte und er hart auf dem Boden der Realität landete, wenn die Situation letztendlich eintrat.

Es war schon immer so gewesen, sie erinnerte sich nur zu genau.

Oftmals waren es nur Kleinigkeiten, die dann zu einem Wutausbruch führten, wenn sie letztendlich eintraten, ein kurzer Moment des Aufregens, der genauso schnell wieder verging, nachdem er seiner Wut darüber mit Worten Platz gemacht hatte oder sich schlicht und einfach an Etwas abreagierte. Nichts im Vergleich zu dieser Situation, die er ebenfalls von sich geschoben hatte, nur um sich am Ende mit eine Inbrunst, mit einer Leidenschaft in diese Aufgabe zu stürzen und am Ende daran zu zweifeln, ob es das Richtige gewesen war, aber in diesem Fall gab es kein richtig oder falsch.

Es war Gesetzt, es gab nichts daran zu rütteln und sie wusste, dass er darüber hinweg kommen würde, egal wie müde, egal wie traurig und egal wie geschlagen er in diesem Moment auf sie wirkte. Und ihr Lächeln verschwand wieder, während die seine Hand drückte und sich schließlich leicht erhob, um sich ganz über das Bett zu beugen und ihm zu seiner Überraschung einen kleinen Kuss auf die Wange zu geben.
 

Sein Ausdruck war gold wert.

Er bestätigte nur ihre eben gedachten Gedanken.

"Ich hab dich lieb, Papa.", sagte sie und vielleicht würde es ja reichen. Vielleicht würde diese Aussage reichen um ihn schneller wieder zu dem werden zu lassen, der er eigentlich sein sollte, vielleicht würde es reichen um ihn irgendwann aus seinen trüben Gedanken zu reißen und die endlose Trauer abzulegen und auch wenn sie die Zukunft nicht vorhersagen konnte, so wünschte sie sich nichts sehnlicher, weil sie nicht wollte, dass auch er ging. Weil sie ihn brauchte, egal wie alt sie selbst mittlerweile geworden war und weil sie nicht die nächste sein wollte, die diesen schweren Schritt zu gehen hatte, den er heute hatte gehen müssen.

"Ich hab dich lieb.", wiederholte sie leise und setzte sich zurück, während er mit einem leisen Seufzen die Augen schloss. Die brennenden, roten und so erschöpft wirkenden Augen und doch wusste sie um die Bedeutung.

Er sagte es niemals.

Solange sie sich zurückerinnern konnte, hatte er diese Worte niemals gesagt, nicht zu ihr, nicht zu Trunks und auch nicht zu ihrer Mutter und doch hatte sie immer gewusst, dass er es tat. Dass er dort war, wenn sie ihn brauchte und dass er sie beschützen würde, wenn es nötig sein würde. Sie hatte es schlicht und einfach immer gewusst, weil er nun einmal etwas Besonderes war und es dieser eine Satz war, der ihr auf ewig in ihrem Gedächtnis hängen bleiben würde, weil auch er ihn früher einmal zu ihr gesagt hatte.

Damals war sie noch klein gewesen, damals hatte sie nichts damit anfangen können was sie war und ihre Kraft, ihre Abstammung verflucht, weil es sie so anders als alle anderen machte und er hatte sich, trotz schlechter Laune, ihre verheulten Worte angehört und schließlich nur wortlos eine Hand auf ihren Kopf gelegt, in eine andere Richtung geblickt.

"Du bist etwas Besonderes." Hatte er gesagt, mehr nicht. Nur diesen einen Satz, der jetzt, wo sie ihn gedacht hatte, leise von den widerhallte, so dass sie verstehen musste, dass er ihn in Wahrheit ebenfalls ausgesprochen hatte. Leise und unwirklich, mit einer Stimme, die ihm nicht mehr gehörte, die der Erschöpfung langsam aber sicher nachgab und nicht wie das klang, was ihm sonst gehörte.

"Genau wie deine Mutter.", hing er dem leise an und sie spürte mehr, als sie sah, dass er sich endlich selbst die Ruhe gönnte, die sein unermüdlich seit Tagen arbeitender Geist wirklich brauchte.
 

Sie schluckte und konnte die Tränen trotz allem nicht aufhalten, die sich erneut in ihre Augen legten und ihre ohnehin nicht sehr klare Sicht nur verschwimmen ließen. Schluckte und drückte ein weiteres Mal seine Hand, ohne weiterhin zu versuchen ihre Tränen auch wirklich aufhalten zu wollen. Vielleicht hatte er ja Recht, sie wusste es nicht.

Vielleicht waren seine Worte nur ein Ausdruck elterlicher Zuneigung, weil kein Elternteil seine Kinder weinen sehen wollte, aber auf der anderen Seite wusste sie, dass sie es bei ihm niemals auf nur diese Dinge beschränken konnte. Er zeigte nicht die Zuneigung, die für andere Kinder so wichtig waren und er war auf seine ganz eigene Weise niemals der Vater, der er hätte sein sollen und doch... doch wusste sie, dass er es in diesem Moment in der Vergangenheit ernst gemeint hatte. So wie er es auch jetzt meinte.

Er sah in ihr nicht eine Kopie ihrer Mutter.

Er sah in ihr das Wesen, das er geschaffen hatte und das sie nun einmal war.

Eine kleine Prinzessin, die einen Prinzen zum Vater hatte.

"Genau wie du.", flüsterte sie und drückte ein letztes Mal seine Hand. Konnte sich nicht zwingen aufzustehen und ließ sich stattdessen, mit einem eigenen leisen Seufzen, nach vorne auf das Bett sinken. Ein surreales Abbild einer Situation, die ihr die Mutter genommen hatte und doch wusste sie, dass er morgen noch da sein würde. Dass er sie nicht einfach verlassen würde und ging, sondern dass er hier blieb und versuchte das Beste draus zu machen.

Vielleicht sogar unbewusst eine Hand auf ihren Kopf legte und ihr zeigte, wortlos, dass er da war, bevor auch sie die Augen schloss und ein letztes Mal tief durchatmete, ohne zu wissen, dass hinter ihr in der Tür jemand stand, der mit einem breiten Lächeln die letzten Minuten diese Szene in sich aufgenommen hatte, die Hände in die Tasche steckte und mit ruhigem Gewissen wieder nach Hause zurückkehren konnte.
 

~~~***~~~

"Was?", fragte sie mich genervt, weil ich sie wohl sekundenlang angestarrt haben musste, als ob sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Manchmal, auch heute noch, nach so vielen Jahren, zweifelte ich wirklich daran, ob sie ihren Genie auch für Dinge einsetzte, die wichtig waren oder ob sie ihn permanent nur für Nonsens verschwendete, der sich dann aus ihrem Mund zwängte.

"Wieso so etwas planen, wenn so viel Zeit ist?" Ich zog eine Augenbraue nach oben und sah sie wieder einfach nur an, weil ich es nicht verstand; nicht verstand was sie von mir wollte und was der Zweck dieser Unterhaltung war. An sich verstand ich die ganze Bedeutung nicht, aber ich würde den Teufel tun und das auch offen zugeben, wenngleich mir der Ausdruck in ihren Augen und das dazugehörige Lächeln eindeutig sagten, dass sie mich längst durchschaut hatte.

"Vegeta..." Na wunderbar. Ich hasste diese Tonlage, weil sie mich an jene erinnerte, die sie bei unseren Kindern verwendete, wenn diese mal wieder etwas nicht begriffen und es mit zehnfacher Geduld noch einmal und noch einmal erklärt bekommen mussten.

"Hier auf der Erde ist es nun einmal Brauch die Toten zu beerdigen. Kennst du das denn gar nicht, kannst du es dir nicht vorstellen?", hatte sie mich dann gefragt und musste zugeben, dass ich die Sache an sich schon einmal gehört, mir aber niemals wirkliche Gedanken darum gemacht hatte. Wenn ich mich zurück erinnerte, dann war es doch das, was Kakarott mir auf Namek hatte angedeihen lassen - die letzte Ehre, oder irgend so ein Schwachsinn. Im Tod gab es keine Ehre mehr, ehrenvoll konnte nur die Art sein, wie man starb.

"Natürlich kann ich mir das vorstellen! Treib's nicht zu weit, Onna!" Sie aber lächelte nur wieder und nahm meine Worte schon lange nicht mehr ernst, so dass mir nichts weiter übrig blieb als die Arme zu verschränken, ein leises Knurren von mir zu geben und einfach zur Seite zu starren. Aber ich hätte wissen müssen, dass es nur wieder in einem leises Lachen ihrerseits endete, so dass ich lediglich innerlich seufzte.
 

"Wie dem auch sei..." Ich sah sie nicht an, sie wusste auch so, dass ich ihr trotz allem zuhörte, auch wenn ich es eigentlich nicht wollte.

"... auch ich werde älter und muss Maßnahmen treffen." Und wieder rutschte eine Augenbraue in die Höhe und ohne dass ich es wirklich mitbekam, dass ich es eigentlich wollte, hatte ich mich ihr wieder zugewandt. "Und weil ich weiß, dass du damit nichts zu tun haben willst, und ich meine Kinder damit nicht belasten möchte, wollte ich es planen, bevor ich abtrete. Versteh mich nicht falsch, ich hab noch nicht vor zu sterben, aber was ich jetzt erledigen kann, bleibt später nicht an euch hängen." Ja, und nun? Wenn sie doch alles regeln wollte, wieso wollte sie dann so dringend mit mir darüber reden? Ich verstand noch immer nicht den eigentlichen Punkt der Unterhaltung.

"Komm zur Sache." Ich hatte keine Zeit für diesen irdischen Schwachsinn und würde sie mir auch niemals nehmen, weil ich noch so lange auf diesem Planeten sein konnte, das machte keinen Unterschied zu dem Gefühl, dass ich schlichtweg nicht hierher gehörte und mich ihnen auch nicht anpassen wollte.

"Schon gut, bleib ruhig. Ich werd' dir schon nicht zu viel deiner kostbaren Zeit stehlen. Ich wollte dich nur um etwas bitten, was damit zu tun hat." Ich verengte die Augen, um was sollte sie mich schon bitten können? In mancherlei Hinsicht würde ich den verqueren Verstand dieser Frau wohl niemals verstehen, aber mir blieb letzten Endes keine andere Wahl als ihr schlichtweg zuzuhören, weil sie mich nun einmal gebeten hat und ich einfach nicht in der Lage war wieder aufzustehen und einfach zu gehen.

Weil ich sah, dass es ihr wichtig war, auch wenn ich nicht begriff, warum.
 

Spuck's schon aus." Ich resignierte und sie musste es an meiner Stimme hören, weil sie es immer tat. Ich würde ihr zuhören und ihr ihren Wunsch erfüllen und wahrscheinlich sogar alles mögliche in Bewegung setzen, um am Ende auch erfolgreich zu sein und manchmal, wirklich nur manchmal verfluchte ich mich selbst dafür!

"Wie ich schon sagte, ist es ein Brauch. Ich möchte diesen auch beibehalten und beerdigt werden, allerdings will ich nicht eine dieser stinknormalen Dinge haben, die jeder hat, weil wir ja nun einmal auch nicht wirklich normal sind." Eine kurze Pause, in der ich das Gesagte verarbeiten sollte, aber so schwer war es dann auch nicht zu verstehen, weshalb ich nur wieder meine Augen leicht verengte und dies mein einziges Zeichen dafür war, dass sie aus dem Arsch kommen sollte.

"Versteh mich nicht falsch, Vegeta, ich... möchte etwas Besonderes von dir." Die Pause in ihrem eigenen Satz machte mich stutzig und ich versuchte in ihren Augen zu lesen auf was sie hinauswollte, nur um auf pure Ehrlichkeit zu treffen und wieder meine Braue zu heben, weil es sich einfach nicht aufhalten ließ.

Sie verwirrte mich.

Aber wann hatte diese Frau mich eigentlich mal nicht verwirrt? Sie hatte es von Anfang an geschafft mich in ihre Fänge zu ziehen und diesen Untergang meinerseits als etwas zu verkleiden, das weder so aussah, noch sich so anfühlte und am Ende war es ja vielleicht sogar meine Pflicht ihr etwas dafür zurück zu geben, weil sie mir auch schon soviel gegeben hatte.
 

"Ich möchte etwas Besonderes, weil du etwas Besonderes bist ...", führte sie weiter und ich kam erneut nicht hinterher, wenngleich dieses Gespräch wirklich immer seltsamer wurde und mich ein weiteres Mal an ihrem Verstand zweifeln ließ.

"... und ich ein Teil von diesem besonderen sein möchte." Okay, das machte weitaus mehr Sinn, als es zu Anfang den Anschein gemacht hatte, aber hatte sie denn noch immer nicht verstanden, dass sie schon lange ein Teil davon war? Hatte sie immer noch nicht begriffen, dass meine Vorsicht von den Anfängen sich in etwas ganz anderes gewandelt hatte und sie es sogar geschafft hatte, sich einen Platz in meinem Herzen zu ergattern? Ich würde das niemals sagen, es klang mehr als nur kitschig und peinlich und dennoch war es so und mir blieb wieder nur übrig, die Augenbrauen in Verwirrung zusammen zu ziehen.

Sie lächelte noch immer, wie immer.

"Es wäre irgendwie zu einfach mich schlicht begraben zu lassen, wenn ich mein ganzes Leben mit jemandem verbracht habe, der nicht schlicht ist und zu dem Zeitpunkt, an dem ich abtrete, hoffentlich noch hier ist." Was wurde das hier eigentlich? Ich schluckte unbewusst und spürte, dass mir dieses Gespräch keinesfalls gefiel, dass ich den Ausgang eigentlich gar nicht hören wollte und merkte dabei nicht einmal, dass ich meinen üblichen spitzen Kommentar zu ihrer letzten Aussage einfach wegließ. Ihn nicht sagte. Ihr nicht sagte, dass sie sich das abschminken konnte, weil nur ein Wahnsinniger sein ganzes Leben mit dieser Verrückten verbringen konnte.

"Und weil dieses ganze Leben etwas besonderes war, braucht es auch einen besonderen Abschied und diesen Abschied kann mir eigentlich nur einer geben..." Sie lächelte ein so ehrliches und strahlendes Lächeln, dass ich für einen Augenblick nicht greifen konnte, ob wir hier wirklich über ein und dasselbe Thema sprachen oder ob ich an irgendeinem Punkt die falsche Route genommen hatte, inmitten des Gespräches in einer anderen Dimension gelandet war.

Wie konnte sie... wie schaffte sie es dieses Thema so auf die leichte Schulter zu nehmen und etwas zu planen, das so fern in der Zukunft lag, dass ich es nicht einmal erahnen wollte. Nicht daran denken wollte, wenngleich ich wusste, dass dieser Punkt uns näher kam und irgendwann nicht mehr zu vermeiden war.
 

"... und das bist du, Vegeta." Und irgendwas in ihrer Stimme, eine gewisse Ernsthaftigkeit und eine so abgrundtief extreme Ehrlichkeit, ließen mich wieder aufsehen. Meine Augen verengen und nach etwas suchen, das ich nicht bestimmen konnte, während sie einfach weiter sprach und mir ihren kleinen Plan erklärte.

Einen simplen Wunsch, der in diesem Moment vielleicht sogar sehr gut klang und sie weit mehr als Saiyajin denken ließ, als ich ihr jemals zugetraut hatte. Hatte sie mich vorhin wirklich gefragt, ob ich Beerdigungen kannte? Wenn sie selbst auf diese Idee gekommen war, dann musste sie doch zumindest erahnen, warum ich bei diesem Wort ein großes Fragezeichen in meinem Kopf hatte. Dann musste sie doch verstehen, dass oftmals nicht viel mehr von uns übrig geblieben war, was man hätte beerdigen können.

Am Ende klang ihr Wunsch plausibel, auch wenn ich mir später wahrscheinlich wünschen würde, nicht so gedacht zu haben. Am Ende klang ihr Wunsch wirklich ziemlich gut, zumal ich wahrscheinlich sowieso vor ihr abtreten würde und diesen ganzen Scheiß nicht mitmachen musste. Wenn ich damals gewusst hätte, wie sehr ich mich täuschen konnte, hätte ich niemals zugestimmt, stumm wie eh und je, dass ich ihr diesen Wunsch erfüllen würde.

Aber ich wusste, dass ich ihr einfach nichts abschlagen konnte.

Am Ende... erfüllte ich ihr doch eigentlich jeden Wunsch.

So wohl auch diesen...
 

~Owari~
 

Schattenaugen 06.01.2014 - 17.01.2014



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